info@hayekianer.ch
  • Home
  • Über uns
  • Publikationen und Artikel
  • Hayek Feder
  • Veranstaltungen
  • Mitglied werden
  • Bibliothek
  • Kontakt

Vom Staatspaternalismus zum totalitären Staat

Gepostet am vor 11 Jahren
Keine Kommentare

Kaum ein Tag vergeht in einem westlichen Land, ohne dass ein neues Gesetz den Bürgern vorschreibt, was sie essen, trinken, rauchen, sehen oder lesen dürfen, oder eben auch nicht. Der Güteraustausch, Finanztransaktionen und der Arbeitsmarkt werden so zunehmend reguliert – angeblich um die Individuen vor sich selbst zu schützen. Die Schweiz ist hier keine Ausnahme. Der Bundesrat machte jüngst von sich reden, als er die Kinderbetreuung durch Nahestehende einer Bewilligung unterstellen  wollte.  In eine ähnliche Richtung  zielt auch sein Gesetzesentwurf zur Gesundheitsförderung und -prävention.

Schritt für Schritt drohen die sich stets ausweitenden Massnahmen dieses Staatspaternalismus zu einem neuen Totalitarismus auszuwachsen. Paternalistische Interventionen sind umso gefährlicher, weil sie auf guten Absichten beruhen. Die unvermeidbare Folge ist eine Infantilisierung der Bürger: Individuen werden für ihre Taten nicht mehr als verantwortlich betrachtet, und müssen deshalb immer weiteren Präventionszwangsmassnahmen ausgesetzt werden. So entsteht ein Teufelskreis, denn die paternalistischen Massnahmen führen zu einer Schwächung der individuellen Anreize, sich verantwortungsvoll zu verhalten. Wie geht man aber in einer freien Gesellschaft  mit  Leuten um, die sich durch eigene Entscheide in Not bringen? Postuliert man ein „Recht“ auf Hilfe, so entstehen Anreize zu einem risikoreichen Verhalten. Dies zeigt die Wirkung des Sozialstaats, der einerseits die Folgen verantwortungslosen Verhaltens mildert und dabei zugleich die Teilnehmer entmündigt. Je grösser der Umfang der Sozialversicherung, desto  aufdringlicher  wird  auch  der   Staatspaternalismus. Da kollektivierte Sozialsysteme unflexibel sind und dabei enorme Kosten verursachen, versucht die Politik individuelles Verhalten den Systemen anzupassen, nicht umgekehrt.

Begründet wird das sozialstaatliche Abrutschen in den Paternalismus häufig mit Hilfe des Utilitarismus. Umverteilung ist demnach gerechtfertigt, weil der Nutzengewinn einer bedürftigen  Person grösser  sein  soll,  als der Schaden des belasteten Gegenübers. Offensichtlich beruht diese Begründung jedoch auf einer Chimäre, denn die Messung und der Vergleich des interpersonellen Nutzens sind schlicht nicht möglich. Die utilitaristische Sicht des Sozialstaats ist jedoch nicht nur theoretisch schwach, sie beruht auch auf einem bedenklichen Menschenbild: Das Individuum wird hier nicht mehr als souveräne und rationale Person betrachtet, sondern als Wesen mit blossen Verhaltensproblemen, die korrigiert werden müssen. Präventionsmassnahmen, welche auf Zwang beruhen, erhalten damit eine ethisch unreflektierte „eingebaute“ Legitimation.

Der Staatspaternalismus begnügt sich folglich auch nicht damit,  das  Verhalten  bedürftiger  Personen  zu  korrigieren – da der Sozialstaat alle Bürger umfasst, wird die gesamte Gesellschaft entmündigenden erzieherischen Massnahmen ausgesetzt. Zugleich ist der paternalistische Sozialstaat immer weniger geneigt, die Auszahlung von Leistungen abzulehnen, selbst an Individuen, die sich seiner Abhängigkeit absichtlich unterwerfen. Die umfassende „Betreuung“ der Gesellschaft liegt in der Logik des  Systems. So muss in der Praxis bedingungslose Sozialhilfe mit zahlreichen Zwangsabzügen für Altersvorsorge und Sozialversicherungen, Tabak- und Junkfoodsteuern mit kostenloser medizinischer Versorgung oder Heroinabgabe an Süchtige mit dem allgemeinen Konsumverbot dieser Substanz gekoppelt werden.

Wie dieses System schliesslich zu einem totalitären verkommen kann, zeigte jüngst der brillante Krimi „Corpus Delicti“ der Erfolgsautorin Juli Zeh, im Luzerner Theater in Szene gesetzt vom Schweizer Filmemacher Samir. Das Stück portraitiert eine Diktatur aus dem Jahr 2057, in welcher Gesundheit zur höchsten Bürgerpflicht geworden ist. Der Staat verlangt ein fixes Sportpensum ebenso wie die Abgabe von Schlaf- und Ernährungsberichten. Es zeigt auf erschreckend realistische Weise ein System, das im Dienste der Prävention alle und alles kontrolliert. Noch sind wir zum Glück nicht so weit. Die erkennbaren Trends sind jedoch besorgniserregend. Wichtig ist daher vorallem, den ethischen Wert der individuellen Freiheit neu zu entdecken. Eigenverantwortung, zwischenmenschliche Solidarität und privatwirtschaftliche Vorsorge und Sozialversorgung bieten nicht nur eine vielfältigere und effizientere Alternative zur paternalistischen Sozialbürokratie – sie sind vor allem auch die Voraussetzung für eine menschenwürdige und lebendige Zivilgesellschaft.

Pierre Bessard ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich.

Jetzt teilen

  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • E-Mail 
Vorheriger Beitrag
Liberaler Feminismus – Ein Widerspruch in sich?
Nächster Beitrag
Putin’s Libertarians

Schreiben Sie einen Kommentar Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.

Kategorien

Kategorien

  • Freihandel (5)
  • Geld (25)
  • Gesellschaft (40)
  • Gold (7)
  • Ideenwettbewerb (13)
  • Investieren (5)
  • Kapitalismus (4)
  • Liberalismus (15)
  • Libertarismus (12)
  • Marktwirtschaft (7)
  • Migrationspolitik (7)
  • Recht, Gesetz und Freiheit (3)
  • Sozialstaat (16)

Neueste Beiträge

Es lebe der Unterschied!

Veranstaltungsbericht „Vom Marxismus zum Kulturmarxismus“ mit Prof. Gerd Habermann, 22.…
Mehr lesen

Gedanken zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union

Letizia Angstmann, Juristin, lebt in England Am kommenden 29. März…
Mehr lesen

Das Janusgesicht der europäischen Integration

Pascal Salin, emeritierter Professor für Ökonomie an der Universität Paris-Dauphine…
Mehr lesen

Veranstaltungen

Keine Veranstaltung gefunden!

Hayek Club Zürich

Der Hayek Club Zürich ist der erste Hayek-Club der Schweiz. Wir orientieren uns an den Werten einer liberalen Gesellschaft nach Friedrich August von Hayek.

Facebook
X

Neueste Beiträge

  • Es lebe der Unterschied! 26.02.2019
  • Gedanken zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union 12.01.2019
  • Das Janusgesicht der europäischen Integration 14.03.2018
  • Vom Ende der Gemeindefreiheit – Adolf Gassers Werk im Lichte der europäischen Integrationsbewegung 14.03.2018

Kontakt

info@hayekianer.ch
Hayek Club Zürich, 8000 Zürich
  • Über uns
  • Statuten
  • Links
  • Impressum
  • Datenschutz

© 2023 Hayek Club Zürich