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„Sozial” ist die beste aller Kreiden für den Wolf

Gepostet am vor 11 Jahren
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„Sozial”: das ist in Wahrheit die beste aller Kreiden für den Wolf. Mit ihr läßt  sich  jedes  noch  so  bestialische  Knurren in lieblichen Gesang verwandeln. Sie ist  das  Zaubermittel für jeden Wolf, der sich in die gute Stube seiner Opfer einschleichen will. Wer dieser heuchlerischen Vokabel in ihren scheinhumanitären Mogelpackungen erliegt, der ist bereits ein höriger Hofschranze der Macht, und der ist als unabhängige und selbstverantwortliche Persönlichkeit schon gestorben. (S. 178)

Da der Staat seine Macht mehr und mehr aus dem Terminus des „Sozialen“ herleitet, ist Demokratie (verstanden als rein mechanistische Mehrheitsbildung) von einem puren Mittel der Machtbegrenzung zu einem höchsten und letzten Wert (wie der „Sozialstaat“ selbst) geworden, denn nur so verstanden und mißverstanden schafft  sie den Funktionsträgern die Macht, das „Soziale“ durchsetzen zu können. So wie in den sozialistischen Unrechtssystemen des Ostens jede Maßnahme „gerecht“ ist, die im angeblichen „Klasseninteresse“ getroffen wird, so ist im Sozialstaat alles a priori „Recht“ und „gerecht“, was dem (angeblich) „Sozialen“ dient. Wer dagegen anstinkt, den  trifft  der  schärfste  Bannstrahl  der   Neopositivisten: die sozial-sozialistische Exkommunikation. Ihre Formel lautet: Ausschluß aus der menschlichen Gesellschaft wegen „Demontage der sozialen Rechte“ und wegen „Ausscherens aus  dem  Grundkonsens  der  Demokraten“.  Der  Anspruch des  Sozialstaats  auf  unbeschränkte  Gesetzgebungsmacht ist sakrosankt, weil er sich dem „Sozialen“ mit Haut und Haaren verschrieben hat. Andererseits aber  zerbröckelt seine Exekutivgewalt zusehends, weil allerorts divergierende „soziale Ansprüche“ unterschiedlicher Gruppen tangiert werden. Das einäugige Recht muß überall ein Auge zukneifen – und ist deshalb überall scheel oder blind geworden. (S. 172f)

Der Rechtsstaat ist der einzig mögliche Garant der Freiheit. Deshalb–undnicht,umihnzukritisierenoderherabzuwürdigen –   müssen die schleichenden Fäulnisprozesse an seinen Wurzeln mit unerbittlicher Schärfe aufgezeigt  werden.  Es ist ja gerade seine Entartung in  Form  einer  demonstrativ zur Schau gestellten Omnipotenz,  die  ihn  schwächt  und in  den  Abgrund  reißt.  Wer  sich  verwaltungstechnisch  (und „moralisch“) für alles zuständig macht, der wird auch für alles kritisiert. Ein usurpierter  Rechtsbegriff  ist  unglaubwürdig und zerstört die Würde des Rechts und den Respekt vor dem Gesetz. Der aufgeblasene Alleskönner wird zum Gespött. Wer seine Kräfte an allen Fronten verschleißt, verliert sein angestammtes Herrschaftsgebiet. So kann denn der zum Verwaltungs-Monstrum entartete Sozialstaat seine wichtigste rechtsstaatliche Aufgabe nicht mehr erfüllen: den Schutz seiner Bürger vor Gewalt. Dieselbe Justiz, die sich mit Hingabe der Frage widmet, ob der Gang zur Toilette und zum Parkplatz zur  bezahlten  Arbeitszeit  gehört  oder  nicht,  wendet  sich gelangweilt ab, wenn des Bürgers Haus demoliert oder sein Kopf blutig geschlagen wird. (S. 183f)

In Wirklichkeit ist der Sozialstaat bis in seine innerste Substanz antisozial und menschenfeindlich, weil er im Dienste der Machterhaltung einer riesigen Umverteilungs-Kaste und im Dienste der Medien-Schamanen und ihrer verjammerten Meinungs-Diktatur  seine  Mittel  an  alle  verschwendet, deren Stimmen er mit Almosen und Geschenken aus fremden Geldbeuteln kaufen will – und dann für  die wirklich Bedürftigen nichts mehr übrig hat; und weil er ein unabschätzbares Wertschöpfungspotential durch Lähmung der volkswirtschaftlichen Leistungskräfte verhindert und erstickt, welches einzig und allein in der Lage wäre, Armut und Not nachhaltig zu beseitigen. […] Hunger und Armut kommen nicht aus den Fabriken der Kapitalisten und nicht aus dem Schweiß der arbeitenden Menschen, sondern aus dem Agitationsgeschrei der Sozialfürsten auf den Kundgebungen zum 1. Mai und aus den Verordnungs-Folianten der Sozialdogmatiker einer Leistungsverhinderungs-Bürokratie. Umso schändlicher, daß wir ihnen dieses Zerstörungswerk auch noch mit dem Zuschanzen schrankenloser Macht vergolden, und daß wir ihnen unsere Freiheit zu Füßen legen, um wie unterwürfige Hunde um die Happen zu betteln, die sie uns zuwerfen. (S. 185)

Die kollektive Zwangsvorsorge und Zwangshilfe ersetzt nicht nur private Hilfe und Eigenvorsorge, sondern sie verdrängt und lähmt diese auch noch, schafft obendrein Anreize zum Mißbrauch und belohnt die rücksichtslose Ausbeutung der Leistungswilligen und Leistungsfähigen. Während sich bei individualistischen und marktkonformen Lösungen der Vorsorge- und Fürsorgeprobleme das Individualinteresse mit dem Interesse der Gemeinschaft deckt, ja beide sich sogar wechselseitigstärken, fallen siebeikollektivistischen Lösungen auseinander und entwickeln eine geradezu antagonistische Dynamik. Es kommt zur sogenannten Mittel-Perversion: Bei immer aufgeblähterem Sozialbudget werden die Mittel immer knapper – und steuern schließlich auf einen Bankrott im Überfluß zu. Es ist mehr und mehr in Vergessenheit geraten, daß das „Soziale“ einer Marktwirtschaft im  Marktprozeß selbst liegt: in seiner überlegenen Effizienz, in der Vielfalt seiner Chancen und Freiheitsräume, der Zuverlässigkeit seiner Warenversorgung und in der Entlohnungsgerechtigkeit seines   Konsumentenprimats.   Wer   in   diesen   Prozeß   aus „sozialen“ Erwägungen „korrigierend“ eingreift, vermindert seine Effizienz drastisch und dauerhaft und damit auch die absolute und relative Höhe der Beträge, die für Vorsorge-, Hilfs- und Unterstützungszwecke  zur  Verfügung  stehen. Wer den Wohlfahrtsstaat überschätzt oder zu sehr schätzt, zerstört beides: den Staat und die Wohlfahrt – auch und vor allem die einzig sinnvolle Wohltätigkeit, nämlich die für die wirklich Armen  und  Hilfsbedürftigen.  Die   Verschwendung für falsch verstandene Fürsorge ist gleichbedeutend mit der Verschwendung derjenigen Leistungskräfte, die Wohlfahrt zunehmend überflüssig machen und durch Wohlstand ersetzen würden. Schließlich zerstört der kollektivistische Sozialwahn alle Werte und Verhaltensweisen wirklicher Humanität und Hilfsbereitschaft:  Verantwortungsgefühl, christliche Nächstenliebe, freiwillige Initiative, Eigenvorsorge und Zusammenhalt der Kleingruppen (Familie, Sippe, Verein, Nachbarschaft). AufpolitischerEbenezerstörterdarüberhinaus die ethisch-geistigen Grundlagen einer freien Gesellschaft: Selbstverantwortung, Mündigkeit, Entscheidungswille und Entscheidungsfähigkeit, Unabhängigkeit und Freiheitsliebe, sowie die Strukturen des Rechtsstaates mitsamt dem rechtsstaatlichen Bewußtsein seiner Bürger. (S. 301f)

Der Konflikt, den  [Thomas] Hobbes im vorstaatlichen Naturzustand zu erkennen glaubte, spielt sich nun innerhalb des Beutestaates tatsächlich ab, weil es sich in ihm als lohnend erweist, sich  in  Rudeln zusammenzurotten und unter der Führung von Alpha-Wölfen auf Jagd zu gehen. Der Kampf aller gegen alle, den es in der von Hobbes unterstellten Form niemals gegeben hat: im Sozialsozialismus ist er Wirklichkeit geworden. Und er wird sich eines Tages in noch ganz anderen Dimensionen abspielen: Wenn der Sozialstaat in nicht  allzu  ferner  Zukunft  vor  dem  Bankrott  stehen wird, weil er Verantwortungslosigkeit und Verschwendung prämiert  und  als   „moralische“   Veranstaltung   dekoriert hat, dann wird es  tatsächlich zu einem unwürdigen, häßlichen und verzweifelten Krieg kommen: Junge gegen Alte (Bankrott der sozialisierten Rentenversicherung), Gesunde gegen Kranke (Zusammenbruch des sozialisierten Gesundheitswesens), Arbeitslose gegen Arbeitsbesitzer (Kollaps der Arbeitslosenversicherung), Geldbesitzer gegen Sachwertbesitzer (Inflation/Währungsreform), Obdachlose gegen Sozialwohnungsbeleger (Zusammenbruch des freien Wohnungsmarktes), Sozialabgabengeschröpfte gegen Schwarzarbeiter (Reguläre Arbeit lohnt sich nicht mehr). „Sozial“-Leviathan wird uns alle verschlingen. Genauer: Wir werden uns  in seinem  Namen gegenseitig zerfleischen. Das Moralmonopol und seine Pharisäer werden dann zur Siegesfeier und zur letzten Messe laden. Zur Totenmesse. Mein Vorschlag für das Wort zu jenem schwarzen Sonntag: Art. 4 der Bill of Rights von 1776: „Kein Mensch und keine Gruppe hat ein Recht auf alleinige oder besondere Zuwendungen oder Vergünstigungen seitens der Allgemeinheit.“ (Einschränkung: Wenn es dann noch Menschen gibt). (S. 303)

Das ist ja das Schlimmste an diesem Leben auf dem Bauch und auf den Knien: daß wir gar nicht mehr registrieren, auf welches Niveau der Armseligkeit wir gesunken und verkommen sind. Das ganze hündische Gewinsel um die Wurstzipfel aus der Hand der Sozialpriester betrachten wir nicht nur als „gerecht” – als „soziale Gerechtigkeit” eben –, sondern wir wollen das alles noch „gerechter”, und somit noch erbärmlicher und noch rattenhafter gestaltet sehen in unserem Umverteilungswahn. (S. 305)

Merkt Ihr denn nicht, wie hier in Euren Brieftaschen und Konten, in Eurem  Arbeits-  und  Privatleben,  in  Euren Familien und Partnerbeziehungen, in Eurem ganzen Leben beliebig herumgestochert wird? Fällt Euch denn gar nicht mehr auf, wie die Parameter Eurer gesamten beruflichen und privaten Existenz  auf  den  Funktionärs-Schachbret- tern hin- und hergeschoben werden, und daß Ihr nur noch Spielmaterial für die Machtlaunen und Profilierungssüchte von Kindergarten-Imperatoren seid? Wie abgestumpft, infantil, entmündigt und verdeppt seid Ihr denn inzwischen in Eurem Wurmdasein, um das alles als „normale Politik” zu fressen? Habt Ihr vergessen, was Freiheit bedeutet, was jener „Stolz des freien Mannes” besagt, für den tausend Generationen gekämpft und gelitten haben? (S. 306)

Roland Baader war ein deutscher Volkswirt, freier Publizist und Verfechter des klassischen Liberalismus.

Alle Auszüge sind der Originalausgabe von “Kreide für den Wolf” von 1991 entnommen. Das vergriffene Werk erscheint in Kürze wieder als kostenloses E-Book, herausgegeben vom Freiheitswerk (freiheitswerk.org); eine Druck-Ausgabe ist ebenso geplant.

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