Johann Thusbass, Vorstandsmitglied Hayek Club Zürich
Ende November 1992 übertrug das Schweizer Fernsehen aus dem Schwyzer Bundesbriefarchiv eine Sendung mit den beiden Bundesräten Adolf Ogi und Arnold Koller zum Thema «EWR – Vertrag oder Verrat?».
Vor dem Bundesbriefarchiv schwenkten an diesem Tag rund 300 Trychler ihre grossen Kuhglocken. Ihr Lärm war ein klares Statement der Innerschweizer: “EWR als ‘Trainingslager’ für einen EU-Beitritt? Nein! Nicht mit uns!»
Dem bärtigen Innerschweizer Bauern und Musiker Sity Domini, mit bürgerlichem Namen Dominik Marty, wurde als ihr Wortführer Redezeit gewährt.
Vor 760’000 Fernsehzuschauern konterte er einen vom Bundesrat befürworteten EWR-Beitritt massiv: «…sind ihr blind? Dass mir müend ins Usland ussi, wo alle im Dreck inne stehn, Schulden haben bis übern Grind hinaus…Und bevor wir mit dem Bundesrat ins Ausland gehen und verbluten, machen wir in der Schweiz Ordnung. Wir sind für den Frieden, für die Neutralität…»
Da er sich in Rage redete (mitunter weil ihm das Mikrofon abgestellt wurde), auch Landesverrat und drohenden Krieg erwähnte, schlug sein Auftritt hohe Wellen. Adolf Ogi beschwerte sich, der Protest von Sity Domini sei «unwürdig, unanständig und ungerecht» gewesen. Die Schwyzer Regierung hielt es für notwendig, sich brieflich bei den «beleidigten, beschimpften und angepöbelten» Bundesräten zu entschuldigen. Danach musste Sity Domini zwei Tage sein Telefon ausschalten.
Neben Zuspruch und Unterstützung erfuhr er auch Ablehnung aus der bürgerlichen Gesellschaft: Sandoz, La Roche und die Zunft Hottingen stornierten die bei Sity Dominis Kapelle gebuchten Auftritte. Die Gemeinde Hünenberg, wo am 1. August die Morgarten-Tradition gepflegt wird, lud ihn genauso aus wie das Eidgenössische Jodelfest in Sarnen.
Die Gefahren der EU-Bürokratie behagten auch dem Volk nicht. Bei der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 lehnten Volk und Stände, dank der deutlichen Mehrheiten in der Deutschschweiz, den Beitritt zum EWR ab. Die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Appenzell-Innerrhoden wiesen gar über 70% NEIN-Stimmen auf, ihnen gegenüber standen vier Kantone in der Romandie mit über 80% JA-Stimmen (Waadtland, Neuchatel, Genf und Jura).
Der Alleingang der Schweiz, verstanden als eine Nichteinmischung in “fremde Händel” bzw. das Heraushalten aus den militärischen Konflikten der Nachbarstaaten, hat sich im Nachhinein als kluge Strategie erwiesen.
Aufgrund der Entwicklung von Euro und EU der letzten Jahre ist eine Volksmehrheit für eine souveräne und freie Schweiz mehr denn je gegeben.
Der Wille hingegen, innerhalb der Schweiz für freiheitliche, marktwirtschaftliche Strukturen einzustehen, existiert allerdings weit weniger. Zunehmend kollektivistische, bürokratische und ineffektive Strukturen werden weitgehend hingenommen. So schafft etwa der interkantonale Finanzausgleich falsche Anreize und er bestraft die erfolgreichen Kantone. Die vom Parlament beschlossene Obergrenze von 35’000 Verwaltungsstellen beim Bund ist bereits um knapp 2’500 Stellen überschritten. Zwischen 2007 und 2015 ist das Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement (UVEK) mit 32,2 Prozent am stärksten gewachsen. Das Aussendepartement (EDA) verzeichnet immerhin ein Plus von 25,5 Prozent. Der öffentliche Sektor in der Schweiz insgesamt wächst überproportional. Die Beschäftigungsquote in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der Bildung und Erziehung ist in den vergangenen 25 Jahren um 65 Prozent gestiegen.
Aus liberaler Sicht muss für die Schweiz darum gelten, unnötiger und unsinniger Bürokratie entgegenzuwirken und umfassende Freihandelsabkommen auch mit Staaten ausserhalb der EU abzuschliessen, ohne dabei unsere Souveränität aufgrund übermässiger institutioneller Einbindung zu schwächen. Wir sollten liberale Reformen mit Mut angehen – Sity Dominis aufrechtes Einstehen für freiheitliche Werte vor 25 Jahren kann uns hierbei als Inspiration dienen. Frieden, Wohlstand und Freiheit der Schweiz sind das Ergebnis generationenübergreifender zielgerichteter Anstrengungen. Es gilt, sie zu bewahren und weiter auszubauen.
2min.Sequenz des Redebeitrags von Sity Domini:
https://www.youtube.com/watch?v=E-FtILSUhqg