Lieber Freisinn, wir müssen reden!
verfasst von Anton M.
Seit Jahren bin ich dir treu ergeben. Für dich opfere ich eine schier unendliche Menge an Energie und Zeit. Während meine Freunde um die Welt reisen oder Partys feiern, verteidige ich deine Prinzipien in verrauchten Sozi-Spunten oder friere ich mir bei winterlichen Standaktionen die Zehen taub, um wenigstens zu bewahren, was übrig geblieben ist. Es geht mir um Ideale wie individuelle Freiheit, Rechtssicherheit und Eigenverantwortung – Werte, welche dieses Land innerhalb eines Augenzwinkerns der Erdgeschichte vom Armenhaus Europas zu einer Oase der Wohlfahrt und des Friedens verwandelt haben; Werte, welche die zivilisatorische von der primitiven Gesellschaft trennen.
Du gabst dir selbst den Beinamen „Die Liberalen“. Auch vom „Liberalen Original“ war zu lesen, als vermeintlich liberale Blender nach amerikanischem Vorbild dein freiheitliches Fundament zerstören wollten. Du bliebst standhaft und hast dein Haus verteidigt. Doch nun, lieber Freisinn, ist die Flitterwochen-Phase vorbei. Du hast nämlich eine grundlegende Säule der Aufklärung, ein urliberales Anliegen, vernachlässigt: die Trennung von Staat und Medien.
Seit ich politisch denken kann, habe ich unabhängig von meiner konkreten Gesinnung immer besonders eine deiner Fähigkeiten wertgeschätzt: Die rationale Entlarvung der emotional geladenen aber argumentativ schwachen Behauptungen seitens der Konservativen und Sozialdemokraten. Doch ausgerechnet jetzt, bei diesem urliberalen Anliegen, bist du der undifferenzierten Argumentation der Kollektivisten auf den Leim gegangen.
Eine Zwangsgebühr fördert nicht den nationalen Zusammenhalt, ein gemeinsames Wertesystem tut das. Auch pflegt eine Quasi-Kopfsteuer nicht Tradition und Kultur, freiwillige Arbeit in Kulturvereinen ermöglicht sie. Die Verteidigung der direkten Demokratie geschieht nicht mittels Bezahlung einer Rechnung, das politische Geschehen findet vor Ort an Bürgerversammlungen und am Familientisch statt. Leider bist du hier mit wahrheitsfremden Weltuntergangsszenarien hereingelegt worden.
Menschen, die am liebsten das gesamte Leben der staatlichen Kontrolle unterordnen möchten, haben dich mit billigem Populismus eingelullt. Demagogen, die bei jeder Gelegenheit ihren vermeintlichen Einsatz für die wirtschaftlich Schwachen betonen, haben dich von dieser asozialen Kopfsteuer überzeugt – von einer Abgabe, die jedem Haushalt – unabhängig des tatsächlichen Konsums – verrechnet wird und die bei einkommensschwachen Familien grosse Löcher ins Budget reisst.
Mich hast du schon immer fasziniert, weil mehr Freiheit und weniger Staat allen Menschen zugutekommen. Am meisten vom Liberalismus profitieren jedoch hartarbeitende und kluge Menschen am unteren Rand der Gesellschaft. Solche Menschen brauchen keine Almosen, sie sollen lediglich nicht unnötig belastet werden. Die jetzige Gebühr, dazu gehört auch die vorgeschlagene Ein-Franken-Augenwischerei, hindert diese Menschen unnötig am Aufstieg und an der verantwortungsvollen Eigenvorsorge.
Ich hoffe inbrünstig, dass du deine Meinung aus Unwissenheit und nicht aus Kalkül vertrittst. Ich befürchte allerdings, dass du deine eigentliche Meinung nicht zu äussern wagst, weil du auch in Zukunft Teil der positiven Berichterstattung dieses Rundfunkmonopols sein willst. Wenn dies der Fall sein sollte, dann ist dies nicht nur politisch schwach von dir, sondern du schadest damit all denjenigen, die nicht zu den Nettoprofiteuren dieses teuren „Service public“ gehören. Allerdings wirst du durch dieses unsägliche Verhalten letzten Endes selbst am stärksten in Mitleidenschaft gezogen, denn es ist Ausdruck deiner Cliquenwirtschaft – etwas, das dir seit Langem zusetzt und Stück für Stück dein liberales Fundament zersetzt.