Das schottische Bankwesen entwickelte sich nach der Gründung der ersten Bank im Jahre 1695 ohne Regulierungen einer übergeordneten Behörde sehr rasch und trug wesentlich zum raschen Wachstum der schottischen Wirtschaft im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts bei. Es funktionierte bis zu seinem Ende 1845 besser als das ansatzweise durch die Bank of England regulierte englische Bankenwesen.
Schottland kannte von 1716 bis 1845 das sog. „free banking“. Das schottische Parlament gründete zwar 1695 die Bank of Scotland und gewährte ihr ein Monopol für 21 Jahre für das Bankgeschäft und die Ausgabe von Noten, das aber 1716 nicht verlängert wurde. Die Bank war aber trotz ihres Namens keine staatliche Institution und auch nicht reguliert. Die Proteste der Bank of Scotland bei der briti- schen Regierung gegen die Bewilligung einer Konkurrentin verhallten ungehört (die schottische Krone wurde schon 1603 mit der englischen vereinigt, und 1707 wurden auch die Parlamente der beiden Länder zusammen gelegt). So wurde dann ebenfalls in Edinburgh 1727 eine weitere Bank gegründet, die Royal Bank of Scotland. Der verbissene Wettbewerb zwischen den beiden Banken erwies sich als innovationsfördernd. So konnten z.B. Kunden in Schottland ab 1731 verzinste Konten eröffnen, lange bevor dies in England möglich war.
In den folgenden Jahrzehnten entstanden nun laufend neue Banken, die teilweise auch Noten herausgaben. Insgesamt gab es 5 Banken im Jahr 1740, zehn Jahre später 14 und 1769 waren es 32. Bis 1760 waren die Hauptsitze der Banken noch auf Edinburgh und Glasgow konzentriert, breiteten sich dann aber über das ganze Land aus. Da es keine Zentralbank gab, konnten die Banken selbst Noten herausgeben, die sie gegenseitig ohne weiteres zu pari akzeptierten. 1826 gaben nur 6 von insgesamt 35 Banken keine eige- nen Noten heraus. Die meisten Banken hatten auch Filialen.
1826 waren es insgesamt 146. Es gab natürlich auch immer wieder Fusionen zwischen kleineren Privatbanken und auch zahlreiche Konkurse. Kunden kamen dabei praktisch nicht zu Schaden, da die Teilhaber der Banken alle unbeschränkt haftbar waren, wie heute in der Schweiz bei den noch wenigen Privatbanken. Im regulierten englischen Bankensystem war die Zahl der Konkurse relativ zur Gesamtzahl der Banken nicht etwa geringer, sondern mehr als doppelt so hoch wie in Schottland.
Wie oben erwähnt, gab es keine Bank, die das Monopol auf der Herausgabe von Noten hatte, also eine Art Zentralbank. Die Entwicklung in jener Zeit hat gezeigt, dass dies gar nicht notwendig war. Gab eine Bank zu viele Noten in Umlauf, die nicht mehr ausreichend gedeckt waren, entzogen ihr die anderen Banken das Vertrauen, weil sie den Umtausch zu pari nicht mehr akzeptierten. So geschah dies z.B. beim damals spektakulären Konkurs der Ayr Bank. Sie wurde 1769 gegründet und entfaltete eine sehr aggressive Geschäftspolitik, indem sie eine grosse Zahl schlechter Kredite durch eine ungezügelte Herausgabe von Noten finanzierte. Sie brach schon nach wenigen Jahren zusammen. Bei der Liquidation betrugen ihre Verpflichtungen £300‘000 in Depositen, £220‘000 in Noten und £600‘000 in ausstehenden Wechseln. Um einem Vertrauensverlust in Banknoten vorzubeugen, erklärten sich einen Tag vor der Liquidation die Bank of Scotland und die Royal Bank bereit, die Noten der Ayr Bank zu übernehmen. Sie konnten dies tun, weil die 241 unbeschränkt haftenden Teilhaber der Ayr Bank die Verluste übernehmen konnten.
Das so gut funktionierende „free banking“ in Schottland wurde leider vom britischen Parlament mit den sog. „Peel’s Acts“ von 1844 und 1845 praktisch verunmöglicht, weil das englische Zentralbanksystem auch auf Schottland ausgedehnt wurde. (vgl. dazu Lawrence H. White „Free Banking in Britain”, 2nd ed. London 1995)
Auch die Schweiz kannte das Free Banking, denn die Nationalbank wurde erst 1907 gegründet, also rund 60 Jahre nach der Schaffung des Bundesstaates. Die ersten Banknoten, lautend auf den „Alten Schweizerfranken“, wurden von der Deposito-Cassa der Stadt Bern herausgegeben. Im Laufe der Jahre traten immer mehr Banken als Emittenten von Papiergeld auf. Die Noten hatten sehr verschiedene Einheiten, wie z.B. Écu, Brabantertaler, französische Franc oder Reichsgulden. Der Bund legte dann 1850 mit dem Münzgesetz den Franken, eingeteilt in 100 Rappen, als Währungseinheit fest (1 Franken entsprach 4,5 Gramm Silber, gleich wie der französische Franken). Bis 1881, als das Banknotenge- setz erlassen wurde, waren die Banken im Wesentlichen frei von Staatseingriffen. Trotz des Banknotengeset- zes dauerte es nochmal ein rundes Vierteljahrhundert bis zur Gründung der Nationalbank. Das Free Banking bis 1881 und auch die Zeit ohne Zentralbank bis 1907 scheinen die rasante Entwicklung der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum ersten Weltkrieg zu einem der höchstindustrialisierten Länder in Europa nicht behindert zu haben. (vgl. dazu Ernst Baltensperger “Der Schweizer Franken”, Verlag NZZ 2012)
Peter Keppeler, Volkswirtschafter (Dr. Oec. HSG)