Matthias P. A. Müller, Vizepräsident Jungfreisinnige Schweiz
Der politische Weg zur Realisierung liberaler Ziele? Die einen Liberalen mögen bereits in dieser Frage einen «Widerspruch in sich» entdecken, die anderen eine logische Konsequenz. Ich zähle mich zur zweiten Gruppe. Denn in unseren Hemisphären führt nur der Weg über die Politik zur konsequenten Anwendung liberaler Prinzipien.
Ich bin Anhänger des Liberalismus, des klassischen Liberalismus, um genau zu sein, denn er ist kristallklar, beständig und freiheitlich. Kurzum: einfach einzigartig. Und er steht bis heute für die besten Werte dieses Landes: Skepsis gegenüber Utopien, den Verheissungen des Staates, der Politik sowie des Parteiensystems. Zudem hegt er Sympathien für unternehmerische Leistung, die aus eigener Kraft zustande kommt.
Aber sind diese Werte nun das Resultat einer spontanen Ordnung? Nein. Sie sind das Resultat des Engagements tausender Bürgerinnen und Bürger, die ein politisches Amt übernehmen und sich bemühen, die zahlreichen Aufgaben auf kommunaler, kantonaler oder eidgenössischer Ebene zu erfüllen und die Geschicke unseres Staates im Dienste aller zu lenken. Dieses politische Engagement ist das Sozialkapital unseres Landes und Ausdruck einer lebendigen und freiheitlichen Zivilgesellschaft.
Was soll die Politik? Zweck der Politik ist die abstrakte Definition und Regelung der tragenden Rechtsgrundlagen unseres Staates. Die Schweiz fusst seit ihrer Gründung auf liberalen Prinzipien. Gemeindeautonomie, direktdemokratische Mitbestimmung, konfessionelle Divergenz und lose integrierte Staatlichkeit prägen (noch immer) das institutionelle Gefüge und die politische Kultur unseres modernen Bundesstaates. In meinen Augen sind dies Prinzipien, die es zu verteidigen gilt.
Leider stehen wir mit diesen Prinzipien aber immer mehr alleine da. Der Pfad der Freiheit ist bedroht. Landauf, landab – unser Land ist in den letzten Jahren immer markanter abgerückt von den erfolgreichen liberalen Rezepten der Vergangenheit. Der Staatsapparat hat immer grössere Dimensionen angenommen. Auch bürgerliche Kräfte befanden sich auf einer Irrfahrt nach links in etatistische Gefilde. Von rechts kamen zuweilen gar Frontalangriffe auf Freiheit und Rechtsstaat – der harte Kern einer jeden Demokratie.
Darüber hinaus stehen wichtige Dossiers auf der Agenda, zu denen wir als junge Bürgerinnen und Bürger kraftvoll unsere Stimme erheben müssen – Altersvorsorge 2020, Beziehung CH-EU, Migration. Hier müssen wir liberales Zeugnis ablegen, uns streitlustig und überzeugt für die Freiheit ins Zeug legen.
Wir müssen zudem aufpassen, dass die Schweiz nicht satt, träge und selbstzufrieden wird. Unser Ziel muss es sein, das Erfolgsmodell Schweiz wieder auf die Siegesstrasse zu bringen. Das wird unbequem, das wird nicht sexy. Aber das muss sein – und genau dafür braucht es die Politik. Dank der Politik konnten wir schwerwiegende Angriffe abwehren. Aber es braucht dieses Engagement auch in Zukunft. Und vor allem: es soll Freiheitliches nicht nur verteidigt und bewahrt werden, sondern in Zukunft auch mehr davon geschaffen werden.
Aber jetzt mal ganz grundsätzlich: Schon oft habe ich mich gefragt, wie das Wunder eigentlich möglich ist, dass sich die unterschiedlichen, zum Teil sogar widersprüchlichen Interessen von uns Menschen unter einen Hut bringen lassen, damit wir in Frieden und Wohlstand miteinander leben können. Meine Antwort: es liegt daran, dass in keinem anderen Land der Welt das Volk so viele Rechte und Möglichkeiten hat, die Politik mitzubestimmen. Und ich stelle weiter fest, dass unsere direkte Demokratie den Liberalismus erst möglich macht. Der Liberalismus befasst sich nämlich mit den Aufgaben des Staates und vor allem mit der Beschränkung seiner Macht. Die demokratische Bewegung befasst sich mit der Frage, wer den Staat lenken soll. Ich sehe meine Aufgabe darin, nicht nur als Politiker, sondern auch als Bürger dieses Landes, aufzuzeigen, dass ein Staat nur erfolgreich gelenkt werden kann, wenn er den Prinzipien des klassischen Liberalismus treu bleibt: solide Finanzen und Beschränkung der Aufgaben des Staates auf die Sicherung des Rechtsstaats, eines funktionierenden Bildungswesens und der Aussenpolitik; und das Recht einer einfachen Mehrheit der Bevölkerung, Regierung und Parlament zu wählen und abzuwählen.
Diese Prinzipien sind meines Erachtens das Scharnier, das eine möglichst freiheitliche Koordination der individuellen Pläne ermöglicht – ohne dass ein „Big Brother“ den Prozess überwachen muss.
Aber wie bereits gesagt, vollends spontan lässt sich dies nicht realisieren. Zu unterschiedlich sind unsere Auffassungen vom «guten» Leben. Deshalb braucht es politische Überzeugungsarbeit. Denn für Recht und Freiheit wollen und sollen wir uns streiten. Mein Appell an dieser Stelle an alle Liberale in diesem Land: Ihr habt die politische Möglichkeit, die Gesetze in diesem Land eigenständig mitzubestimmen, die euch als Mitglied dieser Rechtsgemeinschaft integral betreffen. Tut es! Das ist der Kern der Eigenverantwortung. Auch ich mache es. Denn mir schwebt die Vision einer Schweiz vor, die Zitadelle des Liberalismus ist, wo die Kernidee, nämlich dass der Mensch selbst der erste und letzte Zweck ist, im System der Marktwirtschaft, die dem Einzelnen unabhängig von Stand und Person freien Zugang zum Wirtschaftsleben ermöglichen soll, und politisch im Partizipationssystem der Demokratie, die die freie Willensbekundung jedes Einzelnen zu einem politischen Gesamtwillen verdichtet, neu aufleben soll.
Um zu schliessen: das Schicksal unserer freiheitlichen Ordnung liegt in unseren Händen. Sie ist ein Gut, das unseres politischen Einsatzes, ja unseres Einstehens bedarf. Freiheit bleibt ein Abenteuer mit offenem Ausgang. Gerade deshalb ist es angezeigt, Hand anzulegen, ihr Fortbestehen zu sichern und auszubauen – als Bürgerinnen und Politiker dieses Landes, instinktiv liberal, pragmatisch und zupackend.